Dr. Peter Groskurth
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Paartherapie, wie ich sie verstehe und anbiete
Wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, sich nun diesen ausführlicheren Text anschauen, dann vermute ich, daß Sie Partnerin/Partner in einer heterosexuellen oder homosexuellen Paarbeziehung sind und sich manchmal ratlos fühlen, wie es in Ihrer Paarbeziehung weitergehen könnte. Soll es überhaupt weitergehen oder wäre eine Trennung nicht besser? Und wenn es weitergehen soll: Will ich die zermürbenden und doch fruchtlosen Auseinandersetzungen weiterführen? Will ich mich weiter an unserer Sprachlosigkeit reiben? Oder wäre es vernünftiger, einfach klein beizugeben und meine Zufriedenheit in anderen Lebensbereichen zu suchen? Sie haben schon viel versucht, aber ein wechselseitiges Unverständnis bleibt, eine Verschiedenheit erscheint als zu störend und der Streit entzündet sich an immer wieder denselben Stellen, ohne daß Sie beide weitergekommen wären. Das kann z.B. im Bereich Sexualität, im Bereich häuslicher Pflichten oder im Bereich Kindererziehung sein. Die ständige Wiederholung derselben Auseinandersetzungen kann sehr zermürbend sein. Wie kann es dazu kommen? |
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Unterschiedlichkeit "Zwischen Männern und Frauen gibt es nur ein Problem - sie passen nicht zusammen." Dieses Bonmot hat manches für sich. Der neue Wissenschaftszweig der Evolutionspsychologie und die sich rasant entwickelnde Hirnphysiologie haben in den letzten Jahren eine Menge Wissen über dieses Nicht-Zusammenpassen zusammengetragen. Über Jahrzehntausende hinweg scheinen Frauen und Männer besser zusammengepaßt zu haben und zwar in dem Sinne, daß Unterschiede im männliche und weiblichen Fühlen, Denken, Wahrnehmen und Kommunizieren zweckmäßig, selbstverständlich und kaum Anlaß für Auseinandersetzungen waren. Ein Jäger und Krieger braucht eben teils andere Fähigkeiten als eine Mutter und Hüterin des Feuers. Die letzten paar tausend Jahre haben am diesbezüglichen (genetischen) Erbe nicht viel geändert, während sich gleichzeitig die technischen, sozialen und kulturellen Lebensbedingungen revolutionär wandelten. Damit verloren die Unterschiede zwischen Frauen und Männern weitgehend ihren Sinn und waren auch kaum noch als immerhin ehedem sinnvoll erkennbar. Im gleichen Maße nahmen Auseinandersetzungen um die Gestaltung der "Beziehung" zu: Was ist "richtiger" oder soll mehr Gewicht haben: Zärtlichkeit oder Sex? Emotionalität oder Rationalität? Beziehungsklärung oder schweigsamer Rückzug? Das Mitteilen von Befindlichkeiten oder das Lösen von Problemen? Selbst darüber, wie man am besten eine Straßenkarte liest, können sich Paare streiten - dabei ist die jeweilige Vorliebe z.T. ein Ausdruck unseres genetischen Erbes. Das Wissen darum kann ein Paar sehr entlasten und es vor mancherlei unsinniger Streiterei schützen. Oder andersherum: Das Wissen darum macht es leichter, die eher männlichen und eher weiblichen Eigenarten als solche zu erkennen, zu tolerieren und im besten Falle als Bereicherung für das Paar wertzuschätzen.*) Geschlechtsunterschiede sind natürlich nur einer von vielen Bereichen, in denen Menschen sich unterscheiden. Bei allen Unterschiedlichkeiten müssen wir uns mit dem Paradox auseinandersetzen, daß eine gewisse Andersartigkeit und Fremdheit eines Menschen und anzieht und daß gleichzeitig genau diese Andersartigkeit oft zum Konflikt wird, wenn wir uns mit diesem Menschen näher verbinden. Wir haben den Anderen so gewollt, aber doch nicht so... Auch hier geht es um Toleranz und Nachsicht, um Auseinandersetzung und Kompromißbildung und um Wertschätzung. *) Natürlich haben diese Unterschiede ihre Wurzel nicht allein in diesem Erbe; gleichzeitig wirken eine Vielfalt sozialer, ökonomischer und politischer Faktoren mit. Ich habe oben die Perspektive der Evolutionspsychologie in den Vordergrund gestellt, weil sie eher neu ist. Und ich möchte betonen: Diese Perspektive erklärt etwas; sie bietet jedoch keinerlei Rechtfertigung für irgendwelche Geschlechterdiskriminierungen wie es früher an der Biologie orientierte Humanwissenschaften leider getan haben. |
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Krisen Es kann eine große Entlastung bedeuten zu wissen, daß Krisen in der Partnerschaft nicht heißen müssen, daß das Paar etwas "falsch" gemacht hat, und daß Krisen etwas sehr normales sind, wenn Partner lange genug zusammen ist. Sie treten in bestimmten Lebensphasen nahezu gesetzmäßig auf. Wann kommt es charakteristischerweise zu Krisen?
Das sind Situationen, in welchen praktisch alle Paare in mehr oder weniger ernste Krisen geraten. Darüberhinaus gibt es natürlich eine Unzahl an Möglichkeiten zu weiteren Krisen, sei es, daß ein Familienmitglied schwer erkrankt, sei es, daß jemand arbeitslos wird oder sei es, daß sich ein Partner in jemand anderes verliebt. Allein das Dauern der Paarbeziehung ist ein Veränderungsfaktor mit Auswirkungen auf Sexualität und Lebensgefühl. Die egozentrische Sackgasse Meist stimmen die Partner, die zu einer Paartherapie kommen, darin überein, daß die eigenen Vorwürfe berechtigt sind und die des Anderen weit weniger oder gar nicht. Im milden Falle wird dem Gegenüber Uneinsichtigkeit attestiert - im schwereren Bösartigkeit. Das ist hier nicht anders als bei den Kontrahenten in der großen Politik. Die Standardargumentation von Beiden ist oft: Ich tue oder bin ja nur so und so, weil du ...." Aus der therapeutischen Perspektive fällt es meist leicht zu sehen, daß beider Sicht subjektiv plausibel und schlüssig ist. Aufrechterhalten wird diese Blockadesituation wesentlich auch durch die Weigerung oder Unfähigkeit beider Seiten, die Situation versuchsweise einmal aus der Perspektive des jeweils Anderen zu betrachten, sich einmal in dessen Welt von Selbstverständlichkeiten, Werten, Wahrnehmungs- und Erlebensgewohnheiten usw. einzufühlen. Dies zu tun, ist riskant: Wenn mir dies gelingt, relativieren sich zwangsläufig meine eigenen Selbstverständlichkeiten, Werte und Sichtweisen. Begegnung verändert. Therapeutische Grundüberzeugungen In gewissem Sinne haben also Beide immer "recht" oder sind - andersherum gesehen - "schuld". Dies gilt auch dann, wenn Eines der Beiden nach üblichem Denken der verursachende Bösewicht ist, indem sie oder er zuviel trinkt, fremdgeht oder die Kinder übel behandelt; in aller Regel gibt es beim Anderen ein Verhalten, welches zur Aufrechterhaltung des beklagten Verhaltens beiträgt. Ein Paar ist ein "System", und das Verhalten der Partner ist unabhängig vom Anderen nicht ausreichend zu verstehen. Wenn es doch so wäre, wären sie kein Paar. Während die "egozentrische Sackgasse" das bremsende Moment in der Paarentwicklung ist, gibt es aber auch ein vorwärtstreibendes. Paare "wollen" (wie die Einzelnen) glücklich sein, sie "wollen" weiterkommen oder - pathetischer ausgedrückt - sie wollen wachsen. Ich sehe meine Aufgabe darin, das Paar in diesem Bemühen zu unterstützen, es zum Wagnis des Verstehens zu ermutigen und seine Zuversicht in die Fähigkeit zur Veränderung zu stärken. |
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Was geschieht in der Paartherapie? Ein Paar, das zu mir kommt, ist schon mehr oder weniger lange zusammen, hat also bereits bewiesen, daß es Kompetenzen zum Miteinanderauskommen hat. Aber jetzt kommt es nicht weiter. Das heißt für mich, daß ein Hindernis auf dem Wege liegt, welches die derzeitigen Kompetenzen überfordert. Dieses Hindernis gemeinsam aus dem Wege zu räumen, ist für mich das letztendliche Thema der Paartherapie. Worin könnte das Hindernis bestehen? Da gibt es viele Möglichkeiten - einige davon will ich im folgenden in unsystematischer Aufzählung ansprechen:
Alle diese Hindernisse (und noch eine ganze Reihe anderer) sind zwar mehr oder weniger gewichtig, für das Paar ärgerlich und erfordern mehr oder weniger Aufwand zu deren Überwindung, aber sie müssen eine Paarbeziehung nicht sprengen oder chronisch strapazieren. Wenn es jedoch dem Paar auf Dauer nicht gelingt, ein solches Hindernis zu überwinden, dann liegt die Vermutung nahe, daß es in einem gemeinsamen Grundkonflikt verfangen ist, den es polar gegensätzlich zu lösen versucht. Ich möchte versuchen, diesen für Nicht-Fachleute nicht leicht zu verstehenden Punkt wenigstens ansatzweise zu verdeutlichen. Wenn z.B. beide Partner den eigenen Konflikt zwischen Autonomiewünschen einerseits und Abhängigkeitsneigungen andererseits nicht hinreichend gelöst haben, dann kann es sein, dass der Eine die Autonomiewünsche ängstlich nicht wahrhaben will ("abwehrt") und stark die sicherere Abhängigkeit lebt, während der Andere im Gegenteil die Abhängigkeitsneigungen nicht wahrhaben will und eine überzogene Autonomie lebt. Hier ist eine Annäherung der Partner so schwierig, weil für den einen Partner der Pol besonders angstbesetzt ist, der für den Anderen gerade die "Lösung" darstellt und umgekehrt. Auseinandersetzungen um solche gemeinsame Grundkonflikte sind immer besonders heftig und verbissen. Hier diese Konflikte bewußt zu machen und zu entschärfen, ist in vielen Paartherapien eine zentrale Aufgabe. |
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"Schulenzugehörigkeit" Sie werden vielleicht wissen wollen, ob meine Art der Paartherapie nun "systemisch" oder "psychoanalytisch", "humanistisch-psychologisch" oder verhaltenstherapeutisch ist. Da kann ich jedoch keine einfache Auskunft geben. Ich kann Ihnen sagen, was meine Aus- und Weiterbildungen sind (vgl. die Seite "Person"), aber nach ca. 25 Berufsjahren und interessiertem Hinausschauen über mehrere Tellerränder machen solche Identifikationen und Abgrenzungen wenig Sinn. Meine Erfahrungen mit den verschiedenen Therapieverfahren gehen natürlich in meine Arbeit ein, und ich glaube, daß ich sie zu einem sinnvollen Ganzen verbunden habe. In welchem Falle Paartherapie? Nun haben Sie sicher einen Eindruck davon bekommen, was ich mir unter einer Paartherapie vorstelle. Eine solche Paartherapie halte ich in drei ganz verschiedenen Paarsituationen für sinnvoll:
Jetzt müssen Sie nur noch einen Paartherapeuten, eine Paartherapeutin finden. Ich gebe Ihnen zu bedenken, daß die Beziehung zu einem Therapeuten, einer Therapeutin - anders als die Beziehung zu vielen anderen Fachleuten - nicht nur sachlicher, sondern wesentlich auch emotionaler Natur ist. D.h., Sie müssen Ihr Gegenüber nicht nur für fachlich kompetent halten, sondern Sie sollten auch das Gefühl haben, bei diesem Gegenüber "richtig" zu sein, Sie sollten sich ernstgenommen und als besonderer Mensch wahrgenommen fühlen. Und Sie sollten Vertrauen zu diesem Gegenüber in sich spüren. Um dies zu überprüfen, kann es sinnvoll sein, mit mehreren TheapeutInnen Erstgespräche zu führen. Wenn Sie im Frankfurter Raum wohnen, dann kann die Beratungsstelle Psychotherapie (www.psycho-ffm.de Tel. 069-551866) eine gute Anlaufstelle für Sie sein, wo Sie Adressen von (Paar-)Therapeuten bekommen können. Im Raum Gießen/Wetzlar fehlt eine solche unabhängige und therapieschulenübergreifende Institution. Ich wünsche Ihnen alles Gute auf Ihrem weiteren Weg! |
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